Ukrainischer Geschäftsmann Oleg Bakhmatyuk
Suisse Secrets

Hypo-Oligarch: Schuldenrabatt auf Staatskosten, Millionen-Konten in der Schweiz

Die verstaatlichte Hypo Alpe Adria ließ Firmen des Geschäftsmanns Oleg Bakhmatyuk hohe Schulden nach. Nun taucht der Name des Ukrainers in Bankdaten der Credit Suisse auf – in Zusammenhang mit enormen Guthaben.

Drucken

Schriftgröße

In der durchaus facettenreichen Geschichte der einstigen Kärntner Landesbank Hypo Alpe-Adria nimmt das Kapitel um den ukrainischen Geschäftsmann Oleg Bakhmatyuk einen besonderen Platz ein. Wie oft kommt es schon vor, dass sich Firmen, die zum Imperium eines „Forbes“-Milliardärs gehören, auf Kosten der Allgemeinheit Millionen ersparen können?

Der Bakhmatyuk-Gruppe ist das gleich zweimal gelungen. Beide Male verzichtete die Hypo auf eine Menge Geld. Dies, obwohl die Bank damals bereits verstaatlicht worden war, um sie – und das Bundesland Kärnten – vor dem finanziellen Zusammenbruch zu bewahren. Jeder Euro weniger ging letztlich auf Kosten der österreichischen Steuerzahler. Und es waren viele Euros.

Der Eier-Oligarch

Im Zentrum der Geschehnisse steht Oleg Bakhmatyuk, Ukrainer, Oligarch, Herrscher über ein Konglomerat an Firmen, heute 47 Jahre alt. Der Geschäftszweig, der ihn großgemacht hat, ist die Eierproduktion. Hier kam vor rund eineinhalb Jahrzehnten auch die Hypo ins Spiel. Firmen aus seinem Imperium waren hohe Leasing-Verbindlichkeiten bei der Leasing-Tochter der Bankengruppe in der Ukraine eingegangen. Allein, es haperte mit der Rückzahlung. Man einigte sich gütlich, die Bank schrieb einen Teil ihrer Forderungen in den Wind. Die Verantwortlichen behaupteten später, dies wäre – wirtschaftlich gesehen – die bessere Lösung gewesen, anstatt hart durchzugreifen.

Doch nun stellt sich heraus: Zu jener Zeit, als die Bakhmatyuk-Firmen mit günstigen Deals millionenschwere Schuldenreduktionen erreichten, befanden sich auf einigen Konten in der Schweiz enorme Vermögenswerte. In geleakten Daten der Großbank Credit Suisse scheint in Zusammenhang mit diesen Konten – wobei es sich offenbar um Firmenkonten handelte – unter anderem Oleg Bakhmatyuk auf. Demnach dürfte der Unternehmer entweder als wirtschaftlich Berechtigter oder zum Beispiel auch als Zeichnungsberechtigter eingetragen gewesen sein. Um welche konkreten Funktion und um welche Firmen es sich handelt, geht aus den Daten nicht hervor. Ungeachtet dessen stellt sich für die österreichischen Steuerzahler die höchst relevante Frage: Hat die staatliche Hypo der Bakhmatyuk-Gruppe Geld geschenkt, obwohl diese anderswo über ausreichende Mittel verfügte?

Projekt „Suisse Secrets“

Der Name Bakhmatyuk taucht in den Credit-Suisse-Daten in Zusammenhang mit zumindest 14 Konten auf. Die Informationen wurden der „Süddeutschen Zeitung“ (SZ) von einer anonymen Quelle zugespielt. Die SZ teilte die Kontodaten mit dem „Organized Crime and Corruption Reporting Network“ (OCCRP) – einem Investigativ-Netzwerk – und 46 weiteren Partnermedien. Zu diesen zählen neben profil auch die „New York Times“, „The Guardian“, „Le Monde“ sowie NDR und WDR.

Den vorliegen Daten zufolge wurden die Schweizer Bakhmatyuk-Konten im Zeitraum Herbst 2008 bis Frühjahr 2011 eröffnet. 2008 startete auch die Geschäftsbeziehung der Bakhmatyuk-Gruppe mit der Leasing-Tochter der Hypo-Alpe-Adria in der Ukraine, die sich für das Kreditinstitut äußerst unerquicklich entwickeln sollte.

Im Zeitraffer dargestellt: Im Sommer 2010 fand eine erste Restrukturierung der nicht ordnungsgemäß bedienten Leasing-Verbindlichkeiten statt. Während die da schon staatliche Hypo-Gruppe mehrere Millionen Euro abschreiben musste, befanden sich etwa zur selben Zeit – den nun vorliegenden Daten zufolge – Vermögenswerte von mehr als 65 Millionen Schweizer Franken (damals rund 50 Millionen Euro) auf den Bakhmatyuk-Konten bei der Credit Suisse.

Im Frühjahr 2014, als die Firmen des Oligarchen ihren Haupt-Coup landeten und sich Leasing-Verbindlichkeiten von rund zehn Millionen Euro sparten, lagen in der Schweiz mehr als 85 Millionen Franken (70 Millionen Euro). Zumindest zeitweise dürften auf den Credit-Suisse-Konten Vermögenswerte jenseits von 220 Millionen Franken vorhanden gewesen sein.

Lastwagen und Hühnerkäfige

Unter den zahlreichen Auslandsabenteuern der Hypo-Alpe-Adria war jenes in der Ukraine ein besonderer Schlag ins Wasser. 2007 wurde die Hypo-Leasing-Ukraine gegründet. Erklärtes Ziel: Geschäfte mit Oligarchen. 2008 legte man so richtig los, nur um bereits wenige Monate später das operative Geschäft wieder einstellen zu müssen. Die Ukraine war tief in eine Wirtschaftskrise geschlittert. Die Leasingfirma saß auf zig Millionen Euro an Forderungen, die nicht ordnungsgemäß bedient wurden. Möglicherweise hatte man sich in der falschen Hoffnung gewiegt, Oligarchen würden im Fall des Falles für die ihnen zugerechneten Unternehmen geradestehen. Dabei hätte man freilich übersehen, dass die Beteiligungen oft nur sehr indirekt über komplizierte Firmenkonstrukte gehalten wurden. Der kontrollierende Einfluss ergibt in solchen Konglomeraten nicht immer aus einer im Firmenbuch dokumentierten Funktion. Wenn es hart auf hart kommt, fehlt dann mitunter die rechtliche Handhabe.

Die größte Kundengruppe der schwer gebeutelten Hypo-Leasing bestand jedenfalls aus Unternehmen, die dem Reich von Oleg Bakhmatyuk zugerechnet wurden. Bakhmatyuk war damals Mitte dreißig und bereits eine große Nummer in der Agrarindustrie. Aus seinem Ursprungsgeschäft – der Hühnerhaltung und Eierproduktion im ganz großen Stil – entwickelte er im Laufe der Zeit ein landwirtschaftliches Imperium. Dieses firmiert heute unter dem Namen Ukrlandfarming, Bakhmatyuk selbst fungiert als Vorstandsvorsitzender. Wichtiger Teil davon ist auch die ursprüngliche Eier-Sparte mit dem Namen Avangard.

Bakhmatyuk unterhält übrigens auch abgesehen von der Hypo seit Jahren Verbindungen nach Österreich: In Niederösterreich verfügt er sogar über einen gemeldeten Hauptwohnsitz – doch dazu später mehr.

Mehr als 40 Millionen Euro Schulden

Unmittelbare Geschäftspartner der Hypo waren einerseits fünf Geflügelfabriken aus dem Bereich von Avangard. Über Leasingverträge wurden für einen zweistelligen Millionen-Euro-Betrag Hühnerkäfige finanziert. Andererseits verleaste die Hypo eine dreistellige Zahl an LKW an eine Transportfirma Bakhmatyuks namens Europe Trans. Darüber hinaus wurden auch noch  Einrichtungsgegenstände für eine Supermarktkette finanziert, die ebenfalls dem Bakhmatyuk-Imperium zugerechnet wurde. Die Verträge wurden 2008 geschlossen. Bis zur Schuldenrestrukturierung im Jahr 2010 wuchs das Gesamtobligo auf mehr als 40 Millionen Euro an. Dies ergibt sich aus internen Bank-Unterlagen und Ermittlungsakten, die profil vorliegen und im Rahmen der umfangreichen Hypo-Causa der vergangenen Jahre eine Rolle spielten.

Um die Bedienung der Leasing-Verbindlichkeiten stand es demnach nicht zum Besten. 2010 verhandelte die kurz zuvor verstaatlichte Hypo mit der Bakhmatyuk-Gruppe wegen einer Restrukturierung der Schulden. Der damalige Chef der Hypo-Leasing-Ukraine sagte später als Zeuge aus, dass ursprünglich ein sofortiger „Nachlass von 12 Mio. Euro oder US-Dollar“ angedacht war. So viel sollte es letztlich nicht werden. Teuer für die Hypo war es trotzdem: Den Avangard-Firmen wurde die Laufzeit verlängert, bei der Supermarktkette verwertete man die Leasinggüter und schrieb rund 1,5 Millionen US-Dollar (1,1 Millionen Euro) ab. Die Transportfirma Europe Trans wurde teilweise umgeschuldet. Die Hypo musste weitere zwei Millionen US-Dollar (1,4 Millionen Euro) abschreiben.

Eine Villa in Niederösterreich

Insgesamt akzeptierte die Hypo 2010 somit Abschreibungen von umgerechnet rund 2,5 Millionen Euro. Der damalige Chef der Hypo-Leasing-Ukraine begründete die Zahlungsprobleme bei den ukrainischen Kunden in seiner späteren Zeugeneinvernahme damit, dass sich 2009 die Wirtschaftskrise voll entfaltet hatte und zudem die ukrainische Währung massiv verfallen war. Das habe die Rückführung der Verbindlichkeiten für die Kunden um rund 60 Prozent verteuert.

Die Credit-Suisse-Daten legen nun allerdings nahe, dass im Bakhmatyuk-Imperium durchaus substantielle Vermögenswerte vorhanden waren. Außerdem leistete sich der Oligarch wenige Monate nach der Schuldenrestrukturierung ebenfalls um rund 2,5 Millionen Euro eine Villa in einer besonders noblen Wohngegend südlich von Wien. Dem privaten Wohnvergnügen standen Wirtschaftskrise und Währungsverfall offenbar nicht im Weg.

Die Kunst des Kriegens

Bereits 2010 konnte die Bakhmatyuk-Gruppe somit auf Kosten der österreichischen Steuerzahler einen Millionenvorteil erzielen. Es sollte nicht bei diesem einen Mal bleiben. Zwar entwickelten sich zumindest Teile der Leasinggeschäfte nach der ersten Restrukturierung plangemäß. Es erfolgten auch höhere Rückzahlungen. Doch dann ergab es sich, dass die Hypo konkrete Verkaufsbemühungen in Bezug auf ihre Leasing-Tochter in der Ukraine anstellte.

Das hatte – einem Hypo-Mitarbeiter zufolge – bemerkenswerte Konsequenzen: „Im Sommer 2013 stoppte die Bakhmatyuk-Gruppe die vereinbarten Rückführungen, speziell bei Europe Trans und wurden laut meinem Wissen ab diesem Zeitpunkt nicht wieder bedient. Dies lag zum einen daran, dass man sehr wohl aus betriebswirtschaftlicher Sicht feststellen konnte, dass die Europe Trans die Rückführungen einfach nicht mehr bedienen konnte, zum anderen startete im Sommer 2013 laut meinem Verständnis zum wiederholten Male der Versuch, die HLUA (Anm.: Hypo-Leasing-Ukraine) zu verkaufen, und von diesem geplanten Verkauf nahm auch die Bakhmatyuk-Gruppe Notiz und ging laut meinem Verständnis auch davon aus, dass die HLUA nur mit einem gewissen Abschlag verkauft werden kann, der zum aller größten Teil das Bakhmatyuk-Exposure selbst betraf.“

Im Klartext: Die Unternehmen des Oligarchen hätten – dieser Einschätzung zufolge – die Situation ausnutzen wollen, um nicht die vollen Verbindlichkeiten begleichen zu müssen. Wie wäre das überhaupt möglich?

Der Zehn-Millionen-Euro-Rabatt

Der Verkauf der Hypo-Leasing-Ukraine ging im Frühjahr 2014 unter bemerkenswerten Umständen über die Bühne. Käufer war ausgerechnet der Chef der Leasing-Gesellschaft, der dort bereits seit 2010 am Ruder gewesen war. Er erwarb die Firma, die er selbst leitete, über eine frisch gegründete Zweckgesellschaft in den Niederlanden. Die Hypo erhielt nach Abzug von Kosten rund 4,7 Millionen Euro, wobei der Preis aus mehreren Komponenten bestand. Der wesentliche Teil wurde internen Hypo-Unterlagen zufolge über einen Kredit einer Drittbank finanziert. Die Finanzierung konnte demnach aber schon nach wenigen Tagen wieder rückgeführt werden.

Dem Käufer war es nämlich – knapp nach Unterschrift des Kaufvertrags, aber noch vor dem sogenannten Closing – gelungen, ein Einigung mit der Bakhmatyuk-Gruppe zu erzielen. Letztere löste ihre Verbindlichkeiten bei der Hypo-Leasing-Ukraine zu einem – aus Sicht der Oligarchen-Firmen – äußerst günstigen Preis ab. Mit dem Geld konnte der bisherige Firmenchef und Käufer dann postwendend die Finanzierung bei der Drittbank tilgen. Gut für ihn, gut für Bakhmatyuk – nicht ganz so gut für die Hypo und die österreichischen Steuerzahler.

Damals waren noch 14 Millionen Euro aus den Leasing-Forderungen gegenüber der Bakhmatyuk-Gruppe offen gewesen. Die Firmen des Oligarchen mussten dafür gerade einmal umgerechnet rund 4,2 Millionen Euro auf den Tisch legen. Ein Rabatt von neun bis zehn Millionen Euro. In einem Antrag an den Aufsichtsrat wies der damalige Hypo-Konzernvorstand darauf hin, dass nicht auszuschließen sei, dass Bakhmatyuk hinter der Finanzierung des Deals stehe: In einem solchen Szenario würde Bakhmatyuk seine eigenen Schulden zu einem signifikant reduzierten Preis erwerben, hieß es in dem Vorstandsbericht. Hypo-intern betrachtete man dies sogar als höchst wahrscheinlich. Man fand sich aber offenbar damit ab.

Ermittlungen 2015 eingestellt

Die Hypo verteidigte den Deal vehement gegen aufkommende Kritik. Eine Verwertung der Leasing-Güter – immerhin 331 LKW und Anhänger – hätte laut den Bankberechnungen lediglich 2,9 Millionen Euro eingebracht.

Dieser Ansicht schloss sich später auch die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft an. Die Behörde startete nach einer Anzeige im Jahr 2014 Ermittlungen, stellte das Verfahren aber im Oktober 2015 ein. Eine allfällige Untreue durch das Hypo-Management war nach Ansicht der Behörde nicht gegeben. Vor dem Hintergrund der damals akuten Krim-Krise, und da außerdem 2014 der Entschluss gefallen war, die Hypo insgesamt abzubauen, hätten die Verantwortlichen – kurz gesagt – nicht auf eine Besserung der Lage warten können. „Ob oder dass der ehemalige Geschäftsführer der (Anm.: Hypo-Leasing-Ukraine) und eventuell ein ukrainischer Oligarch die Lage, in der sich die (Anm.: Hypo und die Hypo-Leasing-Ukraine) befanden, vielleicht verwendeten, um aus ihrer Sicht ‚ein gutes Geschäft zu machen‘, ändert daran überhaupt nichts“, heißt es in der Einstellungsbegründung.

Keine Verwertung der Leasinggüter

Bei rein strafrechtlicher Betrachtung mag das zutreffen. Ob die jetzt bekannt gewordenen Konten in der Schweiz an der Einschätzung etwas ändern könnten, war – ohne weitere Detailkenntnisse darüber – nicht absehbar. Fest steht jedoch: Aus Sicht der österreichischen Steuerzahler wirkt die Angelegenheit insgesamt unbefriedigend. In der oben skizzierten ultimativen Abwägung zwischen niedrigem Verkaufspreis und noch niedrigeren Verwertungschancen fehlt letztlich die Frage, ob auf dem Verhandlungsweg bei dem Schuldendeal nicht doch mehr möglich gewesen wäre. Diese Frage stellt sich umso dringender, als die Credit-Suisse-Daten nun zeigen, dass in der Bakhmatyuk-Sphäre offensichtlich enorme Vermögenswerte vorhanden waren.

Mit der rechtlichen Möglichkeit, Leasinggüter – etwa die 331 LKW – einzuziehen, hätte die Hypo durchaus ein gewisses Druckmittel in der Hand gehabt. Hätte man den Oligarchen-Firmen stärker auf Pelz rücken können? Der frühere Chef der Hypo-Leasing-Ukraine schilderte selbst als Zeuge, dass man bei der Schuldenrestrukturierung im Jahr 2010 deutlich günstiger weggekommen war, weil die Bakhamtyuk-Firma Avangard in dieser Zeit an die Börse ging.

Man hatte – der Schilderung zufolge – in dieser spezielles Situation offenbar ein gewisses Druckmittel in der Hand und nützte es auch. 2014 wirkt die Vorgehensweise – soweit aus den vorliegenden Unterlagen erkennbar – eher passiv. Krim-Krise hin oder her: Auch 2014 bedienten zumindest Teile der Bakhmatyuk-Gruppe ihre Schulden. Noch im September 2014 leistete Ukrlandfarming Kuponzahlungen von 27 Millionen Dollar auf eine 500-Millionen-Euro-Anleihe, die man im Jahr davor begeben hatte. Die Hypo hingegen war im Reich des Oligarchen gerade einmal mit einem Bruchteil abgefertigt worden.

Bakhmatyuk: „Keine persönlichen Garantien“

profil hat bei Bakhmatyuk nachgefragt. Seine Firma Ukrlandfarming übermittelte eine Stellungnahme. Darin heißt es unter anderem, die Leasingverträge mit der Hypo seinen unter dem Druck der weltweiten Finanzkrise einvernehmlich umstrukturiert worden. Oleg Bakhmatyuk sei weder Vorstandsvorsitzender eines der Leasingnehmer, noch persönlich am Abschluss dieser Leasingverträge beteiligt gewesen. Er habe auch keine persönlichen Garantien für die Hypo-Leasingverträge abgegeben. Bakhmatyuk sei in keiner Weise an der Umstrukturierung der Hypo Leasing beteiligt gewesen.

Gefragt nach den hohen Vermögenswerten auf den Schweizer Konten, während anderenorts gleichzeitig Schulden nachgelassen wurden, weist man darauf hin, dass Bakhmatyuk Mehrheitsgesellschafter einer landwirtschaftlichen Unternehmensgruppe mit mehr als 300 Betriebsgesellschaften und 80 Handels- und Vermögensverwaltungsgesellschaften sei, die jeweils über eigene Vermögenswerte und Verbindlichkeiten verfügen würden.

Die von profil in der Anfrage angeführten Kontonummern bei der Credit Suisse seien für die Leasingverträge irrelevant. Das Vorhandensein von Barguthaben auf einem Konto einer Konzerngesellschaft bedeute nicht, dass sie damit die Schulden einer anderen Konzerngesellschaft begleichen könne. Außerdem wären solche Transaktionen ohne vertragliche Beziehung illegal. Kein Aktionär, auch nicht der Mehrheitsaktionär, habe Zugang zu den Konten der Gesellschaften, deren Aktien er hält. Einige dieser Unternehmen hätten Minderheitsaktionäre, deren Interessen man nicht außer Acht lassen dürfe.

Schuldner und Bürgen

Dieser Darstellung zufolge herrscht im Reich von Oleg Bakhmatyuk also strengste Gütertrennung. Doch ganz so, dass jede Hühnerfarm wirtschaftlich nur für sich selbst existiert, ist es dann offenbar auch nicht immer gewesen. Dies zeigt ein Beispiel aus dem Oktober 2010. Damals warb Avangard um Investoren für Schuldverschreibungen über 200 Millionen US-Dollar. Erst knapp davor hatte sich die Hypo – nach Zahlungsausfällen – mit Avangard-Firmen auf die eingangs beschriebene Schuldenrestrukturierung geeinigt. Nun schienen einige der – zuvor offenbar säumigen – Hypo-Leasingnehmer im Investorenprospekt als Bürgen („surety providers“) für die geplanten Schuldverschreibungen der Avangard-Obergesellschaft auf.

Darüber hinaus hielt man bei der Hypo einem internen Dokumenten fest, dass Rückzahlungen von Avangard-Firmen an ein ukrainische Bank dafür genutzt worden seien, Verbindlichkeiten der Transportfirma Europe Trans zu restrukturieren.

Querfinanzierungen und gegenseitige Unterstützung scheint – beim Vorliegen entsprechenden Grundvoraussetzungen – auch im Bakhmatyuk-Imperium möglich gewesen zu sein. Jedenfalls dann, wenn es den eigenen Interessen nützte.

Ex-Hypo-Manager: „Wo leben Sie?“

profil fragte auch beim ehemaligen Chef der Hypo-Leasing-Ukraine nach, der die Firma 2014 gekauft hatte. Konkrete Fragen – etwa, ob die Bakhmatyuk-Gruppe die faktische Geldquelle für den Deal war oder ob es Absprachen gab – ließ der Ex-Manager unbeantwortet. Er teilte jedoch mit: „Das von Ihnen angesprochene Thema hat die österreichische Staatsanwaltschaft eingehend untersucht und ist zu dem einzig richtigen Schluss gekommen, dass es keinen Anhaltspunkt für unkorrekte Verhaltensweisen gab oder gibt.“ Der Republik Österreich sei kein Schaden entstanden. Er habe sich fast fünf Jahre lang „ehrlich und redlich für die Hypo und damit den österreichischen Steuerzahler eingesetzt. Dies ist belegbar.“ Fragen nach allfälligen Absprachen mit der Bakhmatyuk-Gruppe quittierte der Ex-Manager mit dem Beisatz: „Wo leben Sie?“

Dieser flapsige Einwurf wirkt angesichts jüngster Entwicklungen doch einigermaßen bemerkenswert. Im Dezember 2021 hat eine Fondsfirma namens Gramercy vor einem US-Gericht schwere Vorwürfe gegen Bakhmatyuk und andere Personen erhoben. Gramercy hatte laut Klage über die Jahre Schuldverschreibungen der Bakhmatyuk-Gruppe (konkret von Ukrlandfarming und Avangard) gekauft und bezeichnet sich selbst als eine ihrer größten Gläubigerinnen.

Den Angaben in der Klage zufolge mussten auch diese Schulden ab 2015 restrukturiert werden. Die Fondsfirma erhebt nun mehrere Vorwürfe. Einer davon erinnert frappant an die Kritik rund um den Hypo-Leasing-Deal 2014: Bakhmatyuk habe demnach – kurz gesagt – über Strohleute Verbindlichkeiten seiner Gruppe zu niedrigen Preisen aufkaufen lassen. Außerdem wirft Gramercy dem Oligarchen vor, heimlich Bestandteile der Unternehmensgruppe im Wert von einer Milliarde Dollar verschoben zu haben, um sie den Gläubigern zu entziehen.

In einer Pressemitteilung bestritt Ukrlandfarming im Dezember 2021 vehement sämtliche Vorwürfe. Man sei „überrascht und enttäuscht“ über die Vorgehensweise. Gramercy wisse, dass Ukrlandfarming unter widrigen Umständen das Möglichste tue, um Vermögenswerte und Jobs zu retten. Es seien keine Vermögenswerte verschoben worden. Gläubigerrechte würden – auf Basis der entsprechenden Verträge – auf gerechte Weise gewahrt.

Ermittlungen wegen Rettungskredits

Es sind dies nicht die einzigen Troubles für Oleg Bakhmatyuk in den vergangenen Jahren. 2019 schrieb die ukrainische Antikorruptionsbehörde NABU den Oligarchen in der Ukraine zu Fahndung aus. Ermittlungen wurden eingeleitet. Hintergrund ist ein Rettungskredit der ukrainischen Nationalbank für eine Bank Bakhmatyuks im Jahr 2014. Der Unternehmer und eine Reihe anderer Beschuldigter stehen unter dem Verdacht der Veruntreuung.

Auf profil-Anfrage teilte die NABU nun mit, dass die Ermittlungen gegen 14 Personen abgeschlossen seien. Man sei der Ansicht, dass genug Beweise vorliegen würden, um vor Gericht zu ziehen. Ermittlungen gegen drei weitere Verdächtige seien in eigene Verfahren abgesondert worden, da die Betroffenen gesucht würden. Unter diesen Beschuldigten befinde sich auch der Bankeigentümer. Die NABU bestätigte mit Verweis auf die Rechtslage keine Namen. Es ist jedoch kein Geheimnis, dass damit Bakhmatyuk gemeint sein dürfte. Im Jahr 2020 wollte die NABU den Oligarchen in die Ukraine zurückholen. Die ukrainische Generalstaatsanwaltschaft lehnte es jedoch ab, ein Auslieferungsansuchen an Österreich zu stellen, wo bekanntlich Bakhmatyuks Villa steht. (Er hat diese in der Zwischenzeit seinen Kindern geschenkt.)

Eier-Post an die Korruptionsbehörde

Wie die Credit Suisse auf die Ermittlungen gegen Bakhamtyuk reagiert hat, ließen sowohl der Oligarch als auch die Bank auf Anfrage offen. Auch, ob die erwähnten Konten noch bestehen.

Bei Ukrlandfarming bezeichnet man die Ermittlungen gegen Bakhamtyuk als politisch motiviert. Interpol habe sich zweimal geweigert, den Unternehmer auf die internationale Fahndungsliste zu setzten. Dies und die Ablehnung der Generalstaatsanwaltschaft hinsichtlich eines Auslieferungsansuchens wertet man als Indiz für eine politische Voreingenommenheit der NABU. Dort zeigt man sich unbeeindruckt. Auf profil-Anfrage teilte die Behörde mit, man untersuche Korruption auf Top-Ebene. Dabei stoße man oft auf Widerstände, wie Beschwerden, Behauptungen oder Hetzkampagnen.

Was damit gemeint sein könnte? Vergangene Ostern bedruckte Ukrlandfarming eigenen Angaben zufolge eine Milliarde Eier mit der Aufschrift „Nieder mit Sytnyk!“ - gemeint war NABU-Direktor  Artem Sytnyk. Wenn es hart auf hart kommt, passt zwischen die Interessen des Bakhmatyuks und seiner Unternehmensgruppe nicht einmal eine Eierschale.

Stefan   Melichar

Stefan Melichar

ist Chefreporter bei profil. Der Investigativ- und Wirtschaftsjournalist ist Mitglied beim International Consortium of Investigative Journalists (ICIJ). 2022 wurde er mit dem Prälat-Leopold-Ungar-Journalist*innenpreis ausgezeichnet.

Michael   Nikbakhsh

Michael Nikbakhsh

war bis Dezember 2022 stellvertretender Chefredakteur und Leiter des Wirtschaftsressorts.